Im Aargau und in der Zentralschweiz haben sich führende Regionalspitäler zusammengeschlossen und wehren sich gemeinsam gegen überbordende Regulierungen, welche die bewährte dezentrale Grundversorgung und etablierte Notfalldienste gefährden. Von Daniel Schibler und Fortunat von Planta

 Der Zusammenschluss «Nähe schafft Gesundheit. Ihr Spital in der Region.» wurde 2016 von Aargauer Regionalspitälern zur Wahrung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Regionen des Kantons Aargau lanciert. Da auch die meisten Spitäler der Zentralschweiz sowie in Glarus die Gesundheitsversorgung gefährdet sehen, haben sie sich der Aargauer Initiative ebenfalls angeschlossen. Wie es aussieht, werden sich bald weitere Regionen – im Gespräch sind Zürich und Bern – der Vereinigung anschliessen, denn auch in diesen Gebieten ist die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ausserhalb der Zentren in Gefahr.

Strukturqualität statt Ergebnisqualität
Seit geraumer Zeit finden Entwicklungen statt, welche die bewährte und intakte regionale Gesundheitsversorgung der Bevölkerung gefährden. So werden die Spitäler mit immer mehr und immer engeren regulatorischen Bedingungen daran gehindert, die regionale Gesundheitsversorgung der Bevölkerung im gewünschten Rahmen aufrechtzuerhalten. Zwei Beispiele für diese einengende Überregulierung sind die Vorgaben der Interkantonalen Vereinbarung für die hoch spezialisierte Medizin (IVHSM) sowie die Vorgaben der kantonalen Spitalleistungsgruppenkataloge (SPLG). Diese sind vor allem an Strukturqualität statt an Ergebnisqualit.t orientiert. Für die Gesundheitsversorgung sind jedoch nicht praxisferne Vorgaben entscheidend, sondern das Ergebnis der an den Patienten erbrachten medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Leistungen. Um eine effektive und effiziente Gesundheitsversorgung zum Wohle der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, sind die übergreifenden Regulatorien ergebnisorientiert und weitergehende Vorschriften, wie z. B. die Strukturvorgaben aus dem Leistungsgruppenkonzept nach regionalen Gegebenheiten zu gestalten. Deshalb setzen sich die Regionalspitäler für folgende Massnahmen ein:

  • Das starke und bewährte abgestufte Schweizer Versorgungssystem (Grund-, Schwerpunkt-/Zentrumsversorger, Universitätsspitäler) muss erhalten bleiben.
  • Die strukturellen und personellen Anforderungen, die im Rahmen der Zuteilung der Leistungsaufträge an die Spitäler gestellt werden (z. B. Vorhaltezeiten, Fachqualifikationen) müssen pro Spitalkategorie (Grund-, Schwerpunkt-/Zentrumsversorgung, Universit.tsspit.ler) differenziert werden. Heute werden diesbezüglich alle Spitäler über einen Leist geschlagen
  • Unsinnige administrative und fachliche Auflagen, die die Wirtschaftlichkeit gefährden und verhindern, dass Häufiges kostengünstig und zu guter Qualität in der Nähe des Wohnortes erbracht werden kann, müssen abgeschafft werden.
  • Die HSM-Liste darf nicht ohne breite Diskussion und Vernehmlassung bzw. ohne Einbezug von mittleren und kleinen Leistungsanbietern von der ursprünglich diskutierten Liste abweichen und immer weitere Gebiete regulieren, die nicht zur hochspezialisierten Medizin gehören.
  • IVHSM muss alle laufenden und geplanten Ausweitungen abbrechen und sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren. Der bestehende Strukturkatalog muss wieder auf die ursprünglich diskutierten und durchaus sinnvollen Bereiche zurückgefahren werden, um eine umfassendere Gesundheitsversorgung in den Regionen zu ermöglichen.

Regionalspitäler zentraler Pfeiler der Gesundheitsversorgung
Um diese Ziele zu erreichen, wird «Nähe schafft Gesundheit. Ihr Spital in der Region.» auf verschiedenen Kanälen aktiv werden und aufzeigen, dass die Regionalspitäler ein zentraler Pfeiler in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sind und einen substanziellen und bewährten Beitrag für die umfassende und qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung in ihren Einzugsgebieten leisten.

Die Regionalspitäler arbeiten wirtschaftlich erfolgreich und bieten Leistungen in der Regel günstiger an als Universitäts und Zentrumsspitäler. Immer neue Anforderungen und Regulatorien führen nicht automatisch zu mehr Patientensicherheit und Behandlungsqualität, sondern wirken sich kontraproduktiv auf die Versorgungssicherheit aus. Zentralisierung ist eben nicht gleichbedeutend mit Qualitätssteigerung. Eine Zentralisierung der Grundversorgung führt zudem unweigerlich zu einer erheblichen Kostensteigerung, da in den Zentren Kapazitäten geschaffen und damit Infrastruktur, die in den Regionen bereits vorhanden ist, auf- und/oder ausgebaut werden muss.

AbnehmenderWettbewerb und Monopolbildung
Die aktuelle Gesundheitspolitik ist zurzeit leider teilweise von einer einseitigen Zentralisierungsdiskussion geprägt, gepaart mit der falschen Vorstellung, die Kosten würden dabei sinken und die Qualität steigen. Zentralisierung führt jedoch unweigerlich zu abnehmendem Wettbewerb, zu Monopolbildung und damit zu schlechteren Leistungen. Dies bei höheren Kosten, längeren Wartezeiten und zunehmender Anonymität der Patienten. Zudem missachtet die unter dem reinen Kostenaspekt geführte Zentralisierungsdiskussion viele wichtige Argumente. So wird nicht miteinbezogen, dass zu einer raschen Gesundheitsversorgung sowie zu einer schnellen und optimalen Heilung Faktoren wie Nähe, Vertrautheit und übersichtliche Strukturen gehören. Eine Steigerung der Qualität wird dann erreicht, wenn Patientenpfade zwischen den Institutionen der verschiedenen Versorgungsstufen gut koordiniert, Triagekriterien gemeinsam abgesprochen und die Zuweisungs- und Verlegungsprozesse verbindlich festgelegt sind. Dafür braucht es die Zusammenarbeit aller Institutionen innerhalb einer Versorgungsregion. Können mit einer solchen Zusammenarbeit auch noch Infrastrukturbedarf und Personalkompetenz koordiniert werden, würde dies eventuell sogar der Kostendruck abschwächen.

In geografischen Räumen denken
Die Gemeinschaft «Nähe schafft Gesundheit. Ihr Spital in der Region.» ist davon überzeugt, dass eine von der Bevölkerung gewünschte qualitativ hochstehende und professionelle medizinische Versorgung nur möglich ist, wenn die Gesundheitsversorgung in geografischen Räumen gedacht und geplant wird. In diesem Sinne verstehen sich die Spitäler in der Region als Teil einer bislang bewährten und gut funktionierenden Versorgungskette, angefangen vom Hausarzt über die Regionalspitäler, die Kantonsspitäler bis hin zu den Universitätsspitälern. Diese bewährte Kette darf im Interesse einer optimalen Versorgung der Bevölkerung nicht zerstört werden. Mit anderen Worten: Es geht also darum, bei der Diskussion und Planung der zukünftigen Gesundheitsversorgung wieder vermehrt die Bedürfnisse der Bevölkerung nach einer raschen, vertrauten und nahen medizinischen Betreuung zu berücksichtigen.

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