Ein Verbund von 23 Regionalspitälern lehnt sich gegen den Spardruck auf. Er führe zu unkoordiniertem Vorgehen der Politik – und gefährde letztlich die medizinische Versorgung im Land.

St. Galler Tagblatt,  6. Juni 2019 von Anna Wanner

Kosten bremsen oder besser noch senken lautet die Devise der Stunde in der Gesundheitspolitik. Diskussionen um die Prämienlast, um Medikamentenpreise und unnötige Eingriffe münden stets in einem Ziel: Sparen. Dieser eindimensionalen Sicht will nun ein im Herbst gegründeter Verband von 23 Regionalspitälern entgegenwirken. «Dass sich der Spardruck auch zum Nachteil der Bevölkerung auswirkt, wird zu wenig thematisiert», kritisiert Präsident Daniel Schibler, Direktor des Spitals Menziken AG. Er warnt davor, dass die wachsende sowie unkoordinierte Regulierung die medizinische Versorgung von sechs Millionen Menschen in der Schweiz gefährde. Die Zahl entspricht dem Einzugsgebiet der Regionalspitäler, die zunehmend ums Überleben kämpfen.

Dabei seien in peripheren Regionen die Spitäler bei Notfällen die erste Anlaufstelle, füllten Lücken in der hausärztlichen Versorgung und seien gerade für ältere und chronisch kranke Patienten unverzichtbar: Wenn sie mehrmals pro Woche für eine Dialyse, Chemotherapie oder Wundbehandlung ins Spital fahren müssen. Der Verband stützt sich dabei auch auf Umfragen in der Bevölkerung: Sie spricht sich mit 78 Prozent für ein Spital in der Region aus. Bei über 70-Jährigen ist der Zuspruch noch höher.

Strategie: Aushungern

Beispiele für neue Regeln sind die Mindestfallzahlen für Spitäler und Operateure bei gewissen Eingriffen. Oder die Vorgabe «ambulant vor stationär». Die Kritik richtet sich nicht gegen die jeweilige Absicht, Effizienz und Qualität zu steigern. Das Problem sei das Vorgehen, sagt Matthias Pfammatter, Direktor des Seespitals Horgen. «An allen Seiten zieht die Politik die Schrauben an», sagt er. «Es fehlt aber eine Absprache, eine Koordination.»

Ein Beispiel? Seit Anfang Jahr bezahlt die Krankenkasse bei sechs Eingriffen nur noch die ambulante Durchführung. Das führt dazu, dass die Spitäler Verluste schreiben, wie Pfammatter sagt. Er habe bei den ambulanten Operationen einen Kostendeckungsgrad von 67 Prozent berechnet. «So stürzen wir in eine Misere.» Erschwerend komme hinzu, dass erstens bei ambulanten Eingriffen der Zuschlag der Zusatzversicherung wegfällt, und zweitens der Bundesrat die ambulanten Tarife gesenkt hat. Ein grosses Spital kann solche Verluste über andere Eingriffe vielleicht auffangen. Ein kleineres Spital nicht, so Pfammatter. Das Spital Horgen habe durch die Umstellung ambulant vor stationär 8,4 Millionen Franken eingebüsst – bei einem Umsatz von 160 Millionen. Anstatt neue Regeln zu schaffen, hätten die Anreize viel eleganter über die Tarife gesteuert werden können. Eine überregionale und koordinierte Planung der Kantone, der Spitäler und der Politik tue deshalb not. «Es wäre der ehrlichere Prozess als uns auszuhungern», sagt Pfammatter.

Ähnlich lautet die Kritik an den Mindestfallzahlen. Dagegen sei prinzipiell nichts einzuwenden, sagt Schibler vom Spital Menziken. Doch erschweren andere Regeln den Spitälern die Erfüllung. Ein Beispiel? Das Kantonsspital Uri hat einen Akutgeriater für die vielen älteren Patienten angestellt. Mit seinem Pensum in Uri ist er aber nicht ausgelastet. In einem zweiten Spital darf er aber laut Vorgaben von SwissDRG nicht arbeiten, wie Spitaldirektor Fortunat von Planta sagt. Wie kommt er so auf die nötigen Fälle?

Die Regionalspitäler fordern deshalb eine gesamtheitliche und koordinierte Planung. Das sei nicht nur im Sinne der Bevölkerung, dadurch liessen sich letztlich auch Kosten sparen.